Jeder Quadratmeter zählt – Samtgemeinde Sögel forciert Schutz von Seitenrändern an Wegen, Gräben und Bächen
SÖGEL. Mit Geodaten aus der Luft wollen die Kommunen in der Samtgemeinde Sögel die Felderwirtschaft unter die Lupe nehmen. Auf den Pelz rücken will man so den Landwirten, die ihre Äcker auf Kosten der Allgemeinheit um manch erklecklichen Streifen ausgedehnt und dabei Naturressourcen im Seitenrand von Wegen, Gräben und Bächen unter den Pflug genommen haben.
„Manche Beispiele sind erschreckend“, sagt Sögels Samtgemeindebürgermeister Günter Wigbers. Da würde der Acker bis hart an den befestigten Wirtschaftsweg ausgedehnt. Unbefestigte kommunale Feldwege in der Flur drohten nicht selten, ganz unter dem Pflug zu verschwinden.
Einhellig legen die Mandatsträger im Samtgemeinderat den acht Mitgliedskommunen nahe, auf die bei der SG-Verwaltung angesiedelte Datenbank zurückzugreifen. Wie jede Gemeinde letztendlich mit den Erhebungen verfährt, bleibt ihrer Zuständigkeit überlassen.
Der SG-Bürgermeister: „Wir verstehen das System nicht nur als Dienstleistungsangebot für unsere Mitgliedsgemeinden, sondern auch als Service für die Landwirtschaft.“ Denn mit dem Datenabgleich „ist uns erstmals eine exakte Darstellung, Erfassung und Vermessung von Flächen möglich“. Das sei das eigentlich Neue an dem System. Planungssicherheit erhielten somit ebenfalls die Landwirte.
Josef Gößling, Leiter des Fachbereichs Bauwesen, in dessen Händen die praktische Umsetzung der Umweltinitiative liegt, wundert sich indessen, dass der „Konflikt“ offensichtlich nur zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung und den Feldwegen in kommunalem Besitz besteht.
Bei der Abgrenzung zwischen ihren Flächen wüssten die Landwirte dagegen sehr wohl zu unterscheiden, wie weit ihr Acker reiche und wo das Feld des Nachbarn anfange. Gößling: „Man weiß schon, wo man pflügen darf und wo nicht.“ Auf den Weg gemacht, die kommunalen Ressourcen zu sichern, hatte sich SG-Bürgermeister Wigbers. Ganz uneigennützig war der „Behördenmarathon“ (Wigbers), den der Verwaltungschef absolvierte, allerdings nicht. Schließlich können die Gemeinden naturbelassene Wegeseitenränder als Kompensationsflächen bei der Ausweisung von neuen Wohngebieten oder Gewerbearealen ins Feld führen.
Da selbst in ländlichen Räumen wie der hiesigen Region die zur Verfügung stehende Fläche zusehends als endlich erscheint, besannen sich Politik und Verwaltung der SG Sögel auf eine Ressource, die bislang vor allem Naturschützern am Herzen lag. Die Seitenstreifen mit Pflanzen, Büschen und Bäumen bieten nicht nur einen wohltuenden Kontrast zur intensiven Felderwirtschaft. Sie sind vielmehr auch Lebensraum für Arten, die angesichts der industriellen Monokultur auf den Äckern zu verschwinden drohen.
Dieses ökologische Pfund will sich SG-Bürgermeister Wigbers nicht aus der Hand nehmen lassen: „Jeder Quadratmeter Kompensationsfläche zählt, um die weitere Entwicklung unserer Gemeinde zu gewährleisten und abzusichern.“ Was lange Zeit toleriert wurde, dass die Landwirte ihre Anbaufläche „eher großzügig“ auf Kosten der Allgemeinheit gestalteten, soll denn auch im Sögeler Raum bald der Vergangenheit angehören.
Digitale Geoinformationssysteme (GIS) machen es möglich: Ein Abgleich von Luftbildern mit Daten des Katasteramtes gibt schnell Klarheit darüber, wo Landwirte ihre Ackergrenzen überschritten haben. Die Suche nach Grundsteinen und die Vermessung vor Ort würden dem Aufwand ansonsten kaum entsprechen. Doch mit dem digitalen Datenpaket, das Wigbers „sehr günstig“ geschnürt hat, rechnet sich die kommunale GIS-Kontrolle.
Erschienen am 23.03.2012 in der Emszeitung