Kassensturz

Immer seltener ist der typische Ruf von Rebhuhn, Kiebitz und Brachvogel zu hören. Auch bei Hase und Fasan sind zum Teil erhebliche Besatzeinbrüche zu verzeichnen. Doch die Jäger wollen dem Artenschwund nicht untätig zuschauen.

Sehr zufrieden zeigt sich der Vorstand des Biotop-Fonds der Jägerschaften des Emslandes und der Grafschaft Bentheim über die Bilanz nach dem ersten Jahr. Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Arten, sowohl Flora als auch Fauna, aus unserer heutigen Kulturlandschaft verschwinden, haben die Jägerschaften Aschendorf-Hümmling, Meppen, Lingen und der Grafschaft Bentheim Ende 2011 gemeinsam einen Biotop-Fonds gegründet (NJ 3/?2012, Seite 10). Josef Schröer, Fonds-Vorsitzender und als Vizepräsident der Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) für das Niederwild zuständig, betont, dass sie mit gutem Beispiel voran gehen wollten, gemeinsam um Naturschutzarbeit zu leisten. Doch die Jäger bräuchten verlässliche Partner. Alleine könnten sie die Aufgabe, etwas gegen den Artenschwund zu unternehmen, nicht lösen. „Aber nichts machen und nur zusehen, das geht gar nicht“, stellt Schröer klar.

Zehn Punkte für die Artenvielfalt

Neben Schröer gehören dem Vorstand des Biotop-Fonds Wilhelm Schepers als stellvertretender Vorsitzender sowie Claus Meixner als Kassenführer an. Alle Jägerschaftsvorsitzenden sowie Kreisjägermeister aus dem Emsland und der Grafschaft Bentheim sind Mitglieder des Fonds. Er umfasst 38 Hegeringe der Region und somit 5430 Mitglieder der Jägerschaften. Als Partner für ihr Anliegen haben die Jäger u. a. das 3N-Kompetenzzentrum (Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe) in Werlte, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen und die Vereinigung des Emsländischen Landvolkes gewinnen können. In Zusammenarbeit mit der Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) ist ein zehn Punkte umfassender Katalog mit Maßnahmen erarbeitet worden, die einerseits für die Landwirtschaft umsetzbar sind und andererseits dem Artenrückgang in unserer Kulturlandschaft entgegenwirken. Besonders die fachliche Unterstützung der LJN-Geschäftsstelle der Landesjägerschaft in Bezug auf das Antragswesen, aber auch bei der Öffentlichkeitsarbeit sei außerordentlich hilfreich gewesen. Weiterhin seien Imker- und Fischereiverbände sowie andere Naturnutzer beteiligt worden.

Zu den Maßnahmen des Biotop-Fonds gehören die Anlage mehrjähriger Blühstreifen als Rückzugs- und Saumflächen (RüSa) für Wildtierarten der Feldflur sowie einjähriger Blühstreifen als Äsungsflächen, das Prädatoren-Management, Maßnahmen zur Rettung von Wildtieren bei der Mahd, das Anbringen und die Unterhaltung von Nisthilfen für Insekten, Vögel und Fledermäuse, Anlage und Pflege von Strukturelementen wie Gewässern, Streuobstwiesen und Hegebüschen, die Übersaat alter Grünlandnarben mit speziellen Wildkräutermischungen, der Anbau von Zwischenfrüchten, um im Winter Deckung zu schaffen, das Wiederherstellen von Wegeseitenräumen und Gewässerrandstreifen, die in landwirtschaftliche Nutzung geraten sind, sowie Maßnahmen, um die Zahl der Wildunfälle zu reduzieren.

In den neun Expertengruppen bringen sich etwa 70 bis 80 Jäger mit verschiedensten beruflichen Hintergründen ein und stehen nicht nur den Jägerschaften und Hegeringen mit Rat und Tat zur Seite, sondern helfen auch der Bevölkerung bei Fragen. In den einzelnen Gruppen arbeiten jeweils mehrere Praktiker aus den Jägerschaften bzw. aus den 38 Hegeringen zusammen, jägerschaftsübergreifend versteht sich. Dadurch seien die Jägerschaften „zusammengewachsen“ und es habe sich ein gutes Netzwerk entwickelt, sind sich Vorstand und Geschäftsführerin einig. Besonders hoben sie hervor, dass alle Beteiligten hoch motiviert die Aufgaben angegangen seien und sich in den Gruppen mit ihren Ideen gegeneinander „befruchtet“ hätten. Schepers betont, dass besonders die Vielfalt der Berufe aller Beteiligten sich durchaus als positiv herausgestellt habe. So könne jeder durch seine spezielle Perspektive einen wichtigen Beitrag leisten. „Sie sind für uns unersetzlich.“

Gemeinsam Lösungen finden

Die Ursachen für die zurückgehenden Niederwildstrecken und auch das Verschwinden anderer Wildtierarten seien vielfältig. Neben dem zunehmenden Prädationsdruck und dem Flächenverbrauch allgemein trage auch die Veränderung der Landschaft durch eine Intensivierung der Landwirtschaft dazu bei, erläutert Meixner. Jedoch gehe es den Jägern nicht darum, irgendjemand die Schuld zuzuweisen, stellt Schröer klar. Vielmehr sei es ihr Anliegen, die Landbewirtschafter als Partner zu gewinnen, und konstruktiv mit allen Akteuren, die in der Landschaft tätig sind, zusammenzuarbeiten. Dadurch hätten die Maßnahmen vielfach vor Ort auch unproblematisch umgesetzt werden können. Um die Akzeptanz zu erhöhen, sei es zudem wichtig, so Schepers, darzulegen, dass die Maßnahmen nachhaltig seien und nicht nur auf die Förderung des Niederwildes abzielten, sondern auch anderen Arten zugutekämen. Dieses Ansinnen belegen auch die erhobenen Daten eines Biologen, der die Maßnahmen wissenschaftlich begleitet.

Schröer sieht die Hauptaufgabe des Vorstandes darin, Geldmittel zu akquirieren, um die geplanten Maßnahmen umsetzen zu können. Die Projektgruppen und auch die Hegeringleiter seien wiederum dafür verantwortlich, dass die einzelnen Maßnahmen in die Fläche gebracht würden. Als besonders wichtig erachtet er, dass sie nach dem Grundsatz „aus der Region für die Region“ handeln. So werden z. B. die Nisthilfen von Werkstätten der Lebenshilfe in der Region gebaut.

Bei seiner Bilanz hebt Schröer u. a. positiv hervor, dass die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung den Bau der Nisthilfen gefördert habe. Jedoch habe er feststellen müssen, dass es speziell für das Prädatoren-Management schwierig sei, eine finanzielle Förderung zu erhalten, obwohl die positive Auswirkung dieser Maßnahme unbestritten sei wie die Beispiele am Fehntjer Tief (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz – NLWKN) und am Dümmer (Natur- und Umweltschutzvereinigung Dümmer – NUVD) belegten. Hinzu komme, so der Fonds-Vorsitzende, dass entsprechende Fallensysteme, mit denen selektiv gefangen werden könne, mehrere hundert Euro kosteten. Deshalb sei es derzeit nicht möglich, mehrere Fallen pro Revier zu finanzieren. Jedoch sollen über den Biotop-Fonds einzelne „Leuchtpunkte“ gesetzt werden.

Generell hat es sich als problematisch erwiesen, kurzfristig Gelder von den Kommunen zu erhalten, sodass für den Biotop-Fonds private Spenden eingeworben werden mussten, berichtet Meixner. Dies sei auch geglückt. Aufgrund der Tatsache, dass der Biotop-Fonds gemeinnützig sei, müsse jedoch nachgewiesen werden, dass das Geld den satzungsgemäßen Zwecken entsprechend verwendet worden sei. So seien die Fördermittel für die Rückzugs- und Saumflächen (RüSa) erst an die Landwirte ausgezahlt worden, nachdem die beantragten Flächen im Spätherbst begutachtet worden seien. Sie hätten aber so kalkuliert, dass alle im letzten Jahr für 2013 eingegangenen finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden könnten.

Rechtssicherheit wichtigste Voraussetzung

Neben einer garantierten Finanzierung sei die Rechtssicherheit ein weiterer wichtiger Aspekt, so Schepers. Für die Landwirte sei es entscheidend, dass das, was im Rahmen des Biotop-Fonds an Maßnahmen umgesetzt werde, auch bei einer Überprüfung durch andere Behörden in Ordnung sei. Dazu hätten die seit 2011 vereinfachten Möglichkeiten der Nutzungscodierung von Maisanbauflächen ebenfalls erheblich beigetragen. Schröer betont, dass z. B. mit den Nutzungscodes „177 – Mais mit Bejagungsschneisen, die mit Kulturpflanzen bebaut sind“ und „176 – Mais mit Bejagungsschneisen, wobei die Bejagungsschneise aus der Erzeugung genommen ist“ der bürokratische Aufwand bei der Beantragung von Betriebsprämien für die Landwirte niedriger sei, da die gesamte Fläche pauschal berechnet werde. Die Landbewirtschafter seien somit eher bereit, ebensolche Streifen im Mais anzulegen. Beim Nutzungscode „910 – Sonstige landwirtschaftliche Nutzflächen“ hingegen sei eine genaue Angabe der Flächengröße der Blühstreifen und Schneisen erforderlich.

Aufgrund des gegebenen finanziellen Rahmens sind im ersten Jahr besonders mehrjährigen RüSa-Flächen, die aber erst einmal auf zwei Jahre beschränkt waren, gefördert worden. Etwa 360 Landwirte haben Förderanträge für insgesamt 430 Flächen gestellt. Insgesamt sind im vergangenen Jahr 375 Hektar mehrjährige Rückzugs- und Saumflächen unterstützt worden. An zahlreichen Flächen seien zudem Hinweistafeln aufgestellt worden, erläutert der Kassenführer, um die Bevölkerung über den Zweck der Maßnahmen zu informieren. Hinzu kommen über 100 Hektar einjährige Blühstreifen, die von Landwirten auf freiwilliger Basis angelegt worden sind. Ein Ansporn für das Engagement könne vielleicht auch gewesen sein, vermutet der stellvertretende Vorsitzende, dass die Blühstreifen seitens der Bevölkerung positiv aufgenommen würden, was wiederum das Ansehen der Landwirte verbessert habe. Interessant sei in diesem Zusammenhang auch, ergänzt Meixner, dass der Anbieter die gleiche Menge Saatgut, die für den Biotop-Fonds bestellt worden sei, darüber hinaus noch einmal verkauft habe. Das bestätigt auch die Geschäftsführerin. Es habe Landwirte gegeben, die nicht mehr an dem Förderprogramm teilnehmen konnten, dann aber eigenständig auf Grenzertragsflächen Blühstreifen angelegt hätten.

Ein Problem sei derzeit die für 2014 anstehende GAP-Reform, betont Schröer. Aus nachvollziehbaren Gründen sei kein Landwirt bereit, Verpflichtungen, die über den 31. Dezember 2013 hinausreichen, einzugehen. Denn was das angedachte „Greening“ an Vorschriften und Maßnahmen bringe, wisse bislang noch keiner. Wenn das „Greening“ aber in der Form komme, wie man sich das bisher vorstelle, dann hätten die Grafschafter und Emsländer Jäger sinnvolle und effektive Maßnahmen parat, ist sich der LJN-Vizepräsident sicher. Zumal diese sowohl beim Niedersächsischen Landwirtschafts- als auch Umweltministerium auf positive Resonanz gestoßen seien. Er könne sich aber vorstellen, die bislang zweijährige Maßnahme gegebenenfalls kurzfristig um eine Jahr zu verlängern, wenn die Landwirte es wünschten. Aber es müsse dann geprüft werden, ob die finanziellen Mittel dafür reichten, gab Meixner zu bedenken.

Beteiligung der Jagdgenossen an Finanzierung denkbar

Zur Finanzierung der verschiedenen Maßnahmen kann sich Schröer auch eine Beteiligung der Jagdgenossen vorstellen. Denn bei sinkenden Niederwildbesätzen und womöglich steigenden Schwarzwildbeständen aufgrund des zunehmenden Maisanteils an den landwirtschaftlichen Flächen ließen sich die Reviere entsprechend schlechter verpachten. Durch die Maßnahmen würden die Reviere jedoch auch aus jagdlicher Sicht wieder attraktiver und könnten somit besser verpachtet werden. Es werde aber künftig wohl Gebiete im Westen Niedersachsens geben, wo eine nachhaltige Bejagung des Niederwildes nicht mehr möglich sein werde, ebenso wie Bereiche, wo die Besätze und auch die Strecken nach wie vor gut seien, mutmaßt der Fonds-Vorsitzende.

Wenn mit zunehmend engeren Fruchtfolgen gearbeitet werde, so Schepers, dann werde nicht nur die Artenvielfalt auf der Fläche, sprich der Kulturarten, immer geringer, sondern auch die Artenvielfalt der Fauna nehme ab. Zudem müssten die Wildtiere auf den wenigen verbleibenden Rückzugsarealen zurechtkommen. Es sei daher wichtig, „Freiräume“ für die Wildtierarten zu schaffen und Alternativen zu den Hauptfruchtarten, besonders Mais und Grünroggen, bieten zu können. Und dabei sei wiederum förderlich, das 3N-Kompetenzzentrum als Partner an der Seite zu haben, betont Schepers.

Jäger als „aktive Naturschützer“ wahrgenommen

Schröer berichtet, dass die Außenwirkung des Biotop-Fonds sehr gut gewesen sei. Die örtliche Presse habe viel über die Aktivitäten der Grünröcke berichtet, sodass Jäger in der Region als „aktive Naturschützer“ wahrgenommen würden, sowohl in der Bevölkerung als auch bei der Verwaltung. Im Laufe des Jahres seien 42 Presseartikel veröffentlicht und mehrere Veranstaltungen zu den verschiedensten Themen organisiert worden, so der Fonds-Vorsitzende. Zudem hätten Vorstand und Geschäftsführerin zahlreiche Vorträge gehalten, so auch vor Lohnunternehmern zum Thema „Mähtod“. „Es sind nicht gleich alle überzeugt, aber wenn erst einmal einer mitmacht, dann ziehen die anderen nach und nach mit“, sagt Schröer. Außerdem steht der Biotop-Fonds „Pate“ für die Gründung eines Fonds in der Kreisjägerschaft Borken (NRW). So könnten Jägerschaften, die diesem Beispiel folgen wollen, von den Erfahrungen profitieren, ebenso wie der Biotop-Fonds auf Erkenntnisse des Verdener Hegefonds zurückgreifen konnte.

„Wie viel Arbeit es letztendlich ist, z. B. Förderanträge auszufüllen, richtig auszufüllen, mussten wir auch erst lernen“, resümierte Schröer. Aus dem Ehrenamt heraus sei das nicht mehr möglich und somit sei der Schritt über eine eigene Geschäftsstelle professionelle Arbeit zu leisten der richtige Weg. Zudem habe die Webseite des Biotop-Fonds professionell aufgebaut und anschließend gepflegt werden müssen. Der Arbeitsaufwand sei definitiv unterschätzt worden, ist sich der Vorstand einig.

In diesem Jahr werde sich der Schwerpunkt der Arbeit des Biotop-Fonds auf andere Maßnahmen des Zehn-Punkte-Plans verlagern, betont Schröer. Es werde aber auf jeden Fall Saatgut – mit Eigenbeteiligung der Revierinhaber – zur Verfügung gestellt werden. Eine neue Förderung von Flächenmaßnahmen sei für 2013, bedingt durch die anstehende Agrarreform, nicht vorgesehen.

Schröer schloss seine Ausführungen mit einem besonderen Dank im Namen des Vorstands des Biotop-Fonds an alle Freunde und Förderer, vor allem gelte den Hegeringleitern seine Wertschätzung. Sie seien die wichtigsten Multiplikatoren vor Ort, die im letzten Jahr in erheblichem Maß zum Erfolg beigetragen hätten.            NJ

Erschienen im Niedersächsischen Jäger 3/2013

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